„Pflegereförmchen“ ist nur erster Schritt.

AWO Niedersachen LAG fordert: Reform der Pflege muss unverzüglich fortgeführt werden, Länder müssen nun ihren Beitrag leisten 

„Die jetzt mit dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) beschlossenen Schritte sind ein dringendes Signal für die Pflege. Das beschlossene Maßnahmenpaket greift wichtige Punkte auf. So werden Regelungen zu mehr Personal, mehr Gehalt und einer Reduzierung von Eigenanteilen getroffen. Es ist aber nur ein „Reförmchen“. An vielen Stellen sind die Reformschritte noch lange nicht ausreichend für eine nachhaltige Verbesserung in der Pflege“, stellt Marco Brunotte, Geschäftsführer der AWO Niedersachsen LAG, fest.

Mit dem am 11. Juni beschlossenen Gesetz ist der Abschluss von Versorgungsverträgen künftig an die tarifliche Entlohnung der Pflegekräfte gekoppelt. Die AWO setzt sich seit Jahren für mehr Tarifbindung ein und begrüßt dies als ersten und wichtigen Schritt ausdrücklich. 

Allerdings leisten die Gesetzesänderungen jedoch noch keinen Anreiz für Träger, einen Tarifvertrag abzuschließen. Für Träger ohne Tarifbindung besteht die Möglichkeit die durchschnittliche Entlohnung aus den Tarifverträgen und kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen, die in der Region angewendet werden, zu zahlen. Es ist zu befürchten, dass auf diese Weise der Status Quo bei der Bezahlung erhalten bleibt.

Brunotte: „Hier bedarf es dringend gesetzlicher Klarstellung. Bei weiteren Reformschritten muss dieser Kritikpunkt unbedingt angegangen werden. Darüber hinaus muss die Tarifbindung auf alle Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen ausgeweitet werden und es sind neben der Bezahlung auch tariflich vereinbarte Arbeitsbedingungen in den Fokus zu nehmen.“

Die Personalsituation in der Pflege muss dringend verbessert werden. Auch hier macht das Gesetz kleine Schritte in eine richtige Richtung. Die Personalmengen und Qualifikationen des Personals in stationären Einrichtungen sollen sich besser am Pflegebedarf der zu versorgenden Menschen orientieren. „Von optimalen gesetzlichen Bedingungen sind wir aber weit entfernt“, so Brunotte.

Aus seiner Sicht sind nun auch die Bundesländer verstärkt in der Verantwortung. So müssten dringend adäquate Ausbildungskapazitäten geschaffen werden, um den enormen Personalbedarf insbesondere im Bereich qualifizierter Pflegeassistenzkräfte decken zu können. 

Bei der Entlastung der Pflegebedürftigen bleibt das Gesetz weit hinter den Erwartungen zurück. Die in der Reform vorgesehenen Zuschüsse zu den Eigenanteilen werden nicht ausreichen, um die Pflegebedürftigen zu entlasten. Der von der AWO geforderte feste Eigenanteil in der stationären Versorgung wurde durch einen prozentualen Zuschuss ersetzt. Durch bessere Bezahlung und Mehrpersonal werden die Kosten für Pflege massiv zunehmen. Brunotte: „Gerade Pflegebedürftige, die weniger als 24 Monate in stationären Einrichtungen leben, werden durch die beschlossenen Änderungen stark belastet. Es besteht die Gefahr, dass Menschen, die stationär versorgt werden müssten, aus finanziellen Gründen davon absehen. Wenn der Bund hier keine Lösungen anbietet, dann muss das Land handeln. Denkbar ist zum Beispiel die Wiedereinführung der Investitionskostenförderung im stationären Bereich.“

Auch bei der Schaffung eines adäquaten Angebotes an Kurzzeitpflegeplätzen sind aus Sicht der AWO die Länder in der Verantwortung. Es müssen Anreize für Träger geschaffen werden sowohl Plätze für Pflege im Verhinderungsfall der Pflegepersonen als auch für rehabilitative Versorgung anzubieten.

„Die Reform der Pflege ist keine einfache Aufgabe. Aber sie muss angegangen werden. Ständige, kleine Reförmchen schaffen da keine Abhilfe. Wir brauchen eine dauerhafte solide Finanzierungsbasis, gute Arbeitsbedingungen und Entlohnung in der Pflege und beste Bedingungen für die zu pflegenden Menschen. Deswegen muss die Arbeit an der Pflegereform kontinuierlich fortgeführt werden und alle an der Versorgung Beteiligten müssen dabei ihren Beitrag leisten“, fordert Marco Brunotte.

 

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Hannover, 11.06.2021